- Kosmologie und Weltmodelle
- Kosmologie und WeltmodelleWir können astronomische Objekte und Zusammenhänge beschreiben, die wir mit Instrumenten beobachten und durch Theorien erklären können. Wie komplex die Zusammenhänge im Einzelnen auch sein mögen, sie sind erkennbar und lassen sich anschaulich nachvollziehen. Sie gelten aber seit jeher als Komponenten eines Gesamtsystems, aus dessen Bau- und Entwicklungsplan wir die beobachteten zeitlichen und räumlichen Strukturen der Welt verstehen lernen. Das in diesem Sinn als Universum oder Kosmos bezeichnete übergeordnete Ganze hat den Menschen seit der Antike in seinen Bann gezogen.Grundlegende BegriffeNach allgemeiner Auffassung versteht man heute unter dem Begriff Universum das prinzipiell größtmögliche System, mit dem wir versuchen, die Welt als Ganzes zu denken, sie uns objekthaft vorzustellen und abstrakt begrifflich zu fassen und so im Sinn der antiken Kosmologen die Ur-Sache zu benennen, aus der die uns zugängliche Welt der Wahrnehmung hervorgegangen ist.In diesem Anspruch liegt die auch für Außenstehende spürbare Faszination derartiger Fragen, die weit über den engen Bereich der Wissenschaft hinausgehen und philosophische und religiöse Aspekte berühren. Astronomie und Physik haben in Jahrhunderten ein Füllhorn an Wissen zusammengetragen — und trotzdem fiel es ihnen schwer, eine akzeptable Formulierung der kosmologischen Fragestellung auf dem Boden ihres Selbstverständnisses zu entwickeln und sie als wissenschaftlich beantwortbar zu begreifen.Zur Annäherung an die Problematik nehmen wir deshalb zunächst einige Begriffserklärungen vor. Sie erlauben es, die allgemein formulierte kosmologische Fragestellung dadurch zu präzisieren, dass wir die gebräuchlichen Termini »Universum«, »Kosmos« und »Metagalaxis« konkretisieren und differenzieren.Danach verstehen wir unter Universum das größtmögliche existierende Objekt. Dieses alles umfassende System lässt sich prinzipiell nicht erweitern, und es gibt kein Übersystem, in dem es mit andern Teilsystemen dieses Übersystems verglichen werden könnte. Das Universum ist also per definitionem das Weltganze, das alle existierenden Organisationsformen der Materie und Felder als Teilsysteme enthält. Folglich kann es grundsätzlich nur eine einzige Realisierung dieses Maximalobjekts geben, das zugleich aber nur als Grenzfall der universellen Organisation gedacht werden kann.Weil eine derartige Definition keinen empirischen Zugang ermöglicht, hat das »Universum als Ganzes« grundsätzlich auch eine hypothetische und postulatorische Komponente. Ungeachtet dieser Sachlage, die viele semantische, methodologische, erkenntnistheoretische, ontologische und auch ästhetische Probleme aufwirft, betrachten wir den so definierten Begriff des Universums als faktische Gegebenheit der Welt, für die es möglich sein soll, globale Verständnis- und Erklärungsmodelle zu entwickeln.Solche Erklärungsmodelle sind Gegenstand der Kosmologie. Sie versucht, auf der Grundlage geeigneter physikalischer Theorien Weltmodelle zu entwickeln, die eine konsistente quantitative Beschreibung der Struktur und Entwicklung des Universums in Form eines Kosmos liefern. Die Begriffe »Universum« und »Kosmos« stehen also in dieser Definition zueinander wie die Begriffe »Land« und »Landkarte«. Genau genommen handelt es sich zum einen um ein Land, dessen Grenzen wir nicht kennen, von dem wir aber annehmen können, dass es als Ganzes existiert. Zum andern handelt es sich um das davon entworfene theoretische Abbild, dessen Umrisse und Details sich nur durch Extrapolation unseres beschränkten Wissens zu einem konsistenten Gesamtbild des Universums zusammenfügen lassen.Die Ausgangsbasis zur Konstruktion eines solchen widerspruchsfreien Gesamtzusammenhangs hat praktischen und theoretischen Charakter zugleich. Auf der praktischen Seite sind es die durch astronomische Beobachtungen enthüllten Erkenntnisse über den Bau und die Organisation des uns zugänglichen Ausschnitts der Welt. Auf der theoretischen Seite erlauben es die physikalischen Methoden der Allgemeinen Relativitätstheorie, die wesentlichen Ingredienzien des Universums — nämlich Raum, Zeit und Materie — in ihrer gegenseitigen Bedingtheit zu verstehen. Erst dadurch wird es uns möglich, das »Universum als Ganzes« als physikalisches Objekt zu betrachten und zu untersuchen.Als Metagalaxis bezeichnen wir den Bereich des Universums, der astronomischen Beobachtungen zugänglich ist, also das sichtbare Universum, über das wir Informationen besitzen. Eine derartige Definition, deren Umfang und Tiefe von der Reichweite der verfügbaren Instrumente und der Aussagekraft der Theorien abhängt, ist zeitgebunden. Fortschritte der teleskopischen Beobachtung und neue Einsichten in theoretische Zusammenhänge führen zu ständigen, mehr oder weniger schwerwiegenden Modifikationen des Begriffs Metagalaxis.Trotz derartiger methodischer Unzulänglichkeiten unterstellen wir, dass die Metagalaxis ein hinreichend definiertes Teilsystem des Universums darstellt. Durch dessen Untersuchung erkennen wir aber nicht nur lokale Zustände und Entwicklungen — unter der Annahme, dass der uns zugängliche Ausschnitt für das ganze Universum repräsentativ ist, entdecken wir auch globale Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten.Die dabei zugrunde gelegte Annahme, dass das Universum — über entsprechend große Volumina gemittelt — sowohl im mikroskopischen als auch im makroskopischen Bereich zu gleichen Zeiten an allen Orten gleich aussieht, wurde in ihrem Kern bereits von dem auch als Cusanus bekannt gewordenen Nikolaus von Kues ausgesprochen. Nach seiner Begründung sollte die Welt überall ein Zentrum und nirgends einen Rand haben, weil Mittelpunkt und Umfassung Gott selbst sei, der sich überall und nirgends befinde.Das kosmologische PrinzipDas Generalisierungspostulat, nach dem es im ganzen Universum keine irgendwie herausgehobenen Orte und Richtungen geben soll, das Universum also im Großen homogen und isotrop sei, bezeichnet man als kosmologisches Prinzip. Die Annahme dieses Prinzips beruht auf der Extrapolation dreier fundamentaler, beobachteter Tatsachen, die Aufschluss geben über den universellen Aufbau der Welt und deren Dynamik. Diese Tatsachen sind:(1) Die Spektrallinien entfernter Galaxien, Galaxienhaufen und Quasare zeigen eine zu ihrem Erdabstand proportionale Rotverschiebung. Diese kann als Doppler-Effekt gedeutet werden, der auf einer Entfernungszunahme von der Erde beruht. In dieser von Edwin Hubble entdeckten Fluchtbewegung der Galaxien manifestiert sich unmittelbar die fortschreitende Ausdehnung des dreidimensionalen Ortsraums, also die globale Expansion des Kosmos. Im allgemein relativistischen Bild nimmt dabei der Abstand zu, obwohl alles an Ort und Stelle bleibt.(2) Die beobachtete Galaxienverteilung rechtfertigt die Annahme einer homogenen und homogen expandierenden Materiedichte. Dabei liegen Werte zugrunde, die über Volumina mit Durchmessern größer als 100 Mpc oder 326 Millionen Lichtjahre gemittelt wurden.(3) Das gesamte Weltall ist erfüllt von einer homogen und isotrop verteilten Mikrowellenstrahlung, die als kosmische Hintergrundstrahlung oder 3 K-Strahlung bezeichnet wird. Sie ist Teil des heute entkoppelten Wärmebads, das in der Frühphase des Universums den Ablauf der mikroskopischen Prozesse bestimmte. Ihre heutige universelle Temperatur als Schwarzer Strahler von 2,73 K und ihre auffällig gleichmäßige räumliche Verteilung lassen sich nur durch eine homogene und isotrope Expansion des Kosmos erklären.Historisch gesehen ist das kosmologische Prinzip das bisher letzte Glied einer Reihe von Weltmodellen. Ausgehend vom anthropozentrischen Standpunkt der mythenhaften Weltbilder alter Kulturen über die geozentrische Auffassung der griechischen Astronomie und des Mittelalters führt die Kette zur heliozentrischen Weltsicht bei Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler. Unser naturwissenschaftlich geprägtes Jahrhundert begreift den gesamten Kosmos als physikalisches System. Ihren adäquaten Ausdruck findet diese Vorstellung im kosmologischen Prinzip. Dieses universelle Prinzip erlaubt es, den Gültigkeitsbereich der Naturgesetze maximal auszuweiten, und zugleich verneint es explizit die Existenz eines definierbaren Mittelpunkts der Welt oder eines anderweitig ausgezeichneten kosmischen Orts. Der Verlust des Mittelpunkts ist der Preis, der gezahlt werden muss, damit im Kontext der heutigen Physik die Frage nach der globalen Struktur des Universums und seiner Geschichte sinnvoll formuliert und beantwortet werden kann.Homogenes und isotropes UniversumEin einfaches Modell des Kosmos ergibt sich aus der Annahme, die dreidimensionale Welt sei homogen und isotrop. Diese Annahme bedeutet, dass es im Ruhsystem der Materie keine ausgezeichneten Punkte und Richtungen gibt, die Welt für beliebige gleichzeitige Ereignisse also gleich aussieht. Sie erlaubt es einerseits, die geometrischen Raumstrukturen einzugrenzen und eine universelle Zeitachse — also eine für den ganzen Kosmos verbindliche Weltzeit — festzulegen. Anderseits ermöglicht sie eine einfache Formulierung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften des Kosmos, die zu jedem Zeitpunkt durch verbindliche, ortsunabhängige Größen wie Massedichte oder Druck definiert sind. Weil diese physikalischen Größen in die Einstein'schen Feldgleichungen als Quellen des Gravitationsfelds und damit der kosmischen Raumkrümmung eingehen, lässt sich ihre Zeitentwicklung grundsätzlich nur simultan mit der Zeitentwicklung der vierdimensionalen Raum-Zeit berechnen.Die geometrische Struktur derartiger Raum-Zeiten wird durch die Robertson-Walker-Metriken beschrieben. Diese enthalten eine freie, zeitabhängige Funktion, den Skalenfaktor R(t), sowie eine dreiwertige Konstante k, bei der es sich um einen Krümmungsparameter handelt. Der Skalenfaktor R(t) beschreibt die Zeitentwicklung der räumlichen Abstände ruhender Ereignisse und damit die globale Expansion oder Kontraktion des Kosmos.Die Grundaufgabe der Kosmologie ist es, die Zeitentwicklung des Skalenfaktors R(t) simultan mit der Entwicklung der Massedichte ρ (t), der Quelle des universellen Gravitationsfelds, zu berechnen. Dazu setzt man den mathematischen Ausdruck für die Robertson-Walker-Metrik in die Einstein'schen Feldgleichungen ein. Wegen der angenommenen Homogenität und Isotropie reduzieren sich diese auf lediglich zwei Gleichungen. Für jeden Wert des Krümmungsparameters, das heißt für jeden Typ der Raumgeometrie, existiert jeweils genau eine Lösung für R(t) und ρ (t). Dadurch werden sowohl die raum-zeitliche Entfaltung der Welt als auch die globale Entwicklung der kosmischen Materiedichte in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit quantitativ dargestellt. In diesem Kontext bezeichnen wir derartige Lösungen deshalb als Weltmodelle.Weltmodelle sind nach unserer heutigen Auffassung also durch mathematische Objekte und mathematische Zusammenhänge repräsentiert. Sie stellen die Zeitentwicklung der globalen kosmischen Strukturen, wie zum Beispiel der Geometrie oder physikalischer Größen, quantitativ dar. Die auf der Robertson-Walker-Metrik basierenden Weltmodelle bezeichnet man nach dem russischen Mathematiker, Physiker und Meteorologen Alexander Friedmann als Friedmann-Modelle. Friedmann hat 1922 ein dynamisches Modell für die Entwicklung eines homogenen, geschlossenen Universums (k = + 1) gefunden.Da sich heute die überwiegende Zahl der kosmologischen Untersuchungen auf Friedmann-Modelle stützt, nennt man sie häufig auch Standard-Weltmodelle oder fasst sie gar als eine Klasse zum »Standardmodell« zusammen.Das StandardmodellDie Friedmann-Modelle lassen keine statische Welt zu, also keine zeitunabhängige Ortsraum-Struktur. Je nach dem Wert des Krümmungsparameters k expandiert der Kosmos entweder für alle Zeiten (k = — 1 und k = 0), oder er verhält sich symmetrisch und geht von einer Expansionsphase wieder in eine Kontraktionsphase über (k = + 1). Kosmen mit k = +1 haben eine sphärische Geometrie und besitzen stets ein endliches räumliches Volumen sowie eine endliche Größe.Bemerkenswert ist weiterhin, dass alle Friedmann-Modelle offensichtlich einen Anfangspunkt enthalten, von dem aus sich das Universum abrupt aus einem unvorstellbar kleinen Volumen heraus entwickelt hat. Dieser explosive Anfang der Welt wird mit dem plastischen Wort Urknall oder Big Bang bezeichnet.Für den singulären Anfangszustand, in dem das gesamte Universum unendlich komprimiert war, gibt es noch keine zufriedenstellende physikalische Beschreibung. In der Anfangssingularität verlieren alle Naturgesetze und theoretischen Darstellungen — auch die Allgemeine Relativitätstheorie — ihre Gültigkeit und ihren Sinn.Um diese prinzipielle Schwierigkeit zu vermeiden, beginnen alle physikalischen Beschreibungen der Weltmodelle erst nach einem endlichen, wenn auch extrem kurzen Zeitintervall nach dem Urknall. Diese Zeit ist durch die Planck-Zeit tP = 10-43 s gegeben. Sie gibt die äußerste Zeitgrenze an, bis zu der man sich theoretisch der Urknall-Singularität nähern kann.Unter der Annahme, dass sich der Kosmos von Beginn an mit seiner heutigen Expansionsgeschwindigkeit ausgedehnt hat, ergibt sich aus dem Kehrwert der Hubble-Konstante die Hubble-Zeit tH. Dabei handelt es sich um die Zeitspanne, die der Kosmos benötigte, um sich bei konstanter Geschwindigkeit von sehr kleinen Dimensionen auf die heute beobachteten Ausmaße auszudehnen. Die Hubble-Zeit gibt somit das Alter eines gleichförmig expandierenden Universums an. Weil im Standardmodell die Expansion des Kosmos stets gebremst verläuft, ist das tatsächliche Alter unseres Universums notwendigerweise kleiner als die Hubble-Zeit.Altersbestimmungen von Kugelsternhaufen, den ältesten Objekten unseres Milchstraßensystems, deuten für das Weltalter auf eine untere Grenze von 16 bis 18 Milliarden Jahren hin. Da das Universum auf jeden Fall älter sein muss als die ältesten darin vorkommenden Objekte, folgt, dass mit dem Standardmodell nur relativ kleine Werte der Hubble-Konstante — H0 um 50 (km · s-1)/Mpc — vereinbar sind. Die ebenfalls diskutierten großen Werte — H0 um 90 (km · s-1)/Mpc — sind mit dem Standardmodell unvereinbar und erfordern erhebliche Modifikationen.Kritische MassedichteEinsteins Theorie trifft keine Entscheidung darüber, ob das Universum eine offene oder eine geschlossene Raum-Zeit-Struktur besitzt. Diese Frage lässt sich nur durch astronomische Untersuchungen beantworten. Die beobachtete Expansion des Kosmos verläuft entgegen der gravitativen Anziehung der im Kosmos vorhandenen Massen und Felder. Daraus folgt, dass eine Erhöhung der mittleren Massedichte sich bremsend auf die Expansion auswirken muss. Diese Bremsung wird in den Weltmodellen durch den Beschleunigungsparameter berücksichtigt, der die relative zeitliche Änderung der Expansionsgeschwindigkeit, bezogen auf die Hubble-Funktion, ausdrückt. Die Messungen der Entfernung und der Rotverschiebung sind zurzeit jedoch noch zu ungenau, als dass man Schlüsse auf den tatsächlichen derzeitigen Wert des Beschleunigungsparameters daraus ziehen könnte.Ungeachtet dessen muss es in einem mit Materie erfüllten Universum infolge der Gravitation einen kritischen Wert für die mittlere Massedichte im Kosmos geben, der darüber entscheidet, ob das Universum offen oder geschlossen ist. Die Formel für diese kritische Massedichte leitet sich aus der Expansionsdynamik des Kosmos ab. Aus ihr ergibt sich — abhängig vom Wert der Hubble-Konstante — eine heutige kritische Massedichte von etwa 0,5... 2·10-26 Kilogramm pro Kubikmeter. Auf Teilchendichten umgerechnet, entspricht dies etwa einer Dichte von drei bis zwölf Wasserstoffatomen pro Kubikmeter. Vergleicht man diesen Wert mit der gegenwärtig tatsächlich beobachteten mittleren Massedichte des Universums, so kann man schließen, dass unser Universum offen ist und ewig expandiert. Dies ist allerdings nur unter dem Vorbehalt richtig, dass im Universum der überwiegende Teil der Masse nicht als dunkle Materie existiert, die sich einer direkten Beobachtung entzieht.Die bestimmende Größe für die Entwicklung des Universums ist im Standardmodell die Gesamtenergiedichte, die in den Einstein'schen Feldgleichungen als Quelle der Gravitation die großräumige Dynamik bestimmt. Abgesehen von der extrem frühen Epoche direkt nach dem Urknall sind hier nur zwei Beiträge von Bedeutung: die Energiedichte der Materie und die Energiedichte der Strahlung. Berechnungen zeigen, dass im heutigen Universum die Energiedichte der Strahlung um drei Größenordnungen kleiner ist als die Energiedichte der Materie. Daher spricht man von einem materiedominierten Universum, während es in seiner Frühzeit strahlungsdominiert gewesen sein muss.Die materielle Entwicklung des UniversumsDem Standardmodell zufolge entwickelte sich das Universum aus einem singulären Anfangszustand, dessen räumliche Ausdehnung verschwindend klein und dessen Temperatur unbeschränkt hoch war, durch Expansion zu seinem heutigen Zustand. Mit der monotonen Aufblähung ging eine Abnahme der Energiedichte und der Temperatur einher. Diese Abnahme hat zu jeder Zeit und an jeder Stelle Einfluss auf jene physikalischen Bedingungen, die für die Existenz und Häufigkeit der jeweiligen Materie- und Feldkomponenten verantwortlich sind.Im frühen strahlungsdominierten Universum änderten sich die Energiedichte ρc2 und die Temperatur T mit dem Weltalter t proportional zu 1/t2 beziehungsweise 1/t1/2. Bei hinreichender Annäherung an den mathematischen Anfangspunkt, der dem Limes t → 0 entspricht, wachsen beide Größen über alle Grenzen. Da es in der Physik aber keinen Sinn hat, von unendlichen Werten physikalischer Größen zu sprechen, ergeben sich mehrere grundsätzliche Fragen.Wie weit in die Vergangenheit können uns die bekannten Modelle verlässlich führen? Wo liegen die zeitlichen Grenzen, bei deren Überschreiten Erweiterungen und Modifikationen unserer physikalischen Beschreibungen unumgänglich sind? Gibt es einen frühesten Zeitpunkt, vor dem keine wissenschaftliche Erfassung mehr denkbar ist?Vereinheitlichung der fundamentalen WechselwirkungenIn der Anfangsphase des Universums verfließen die Konturen unserer rationalen Kosmologie, und den physikalischen Beschreibungsversuchen haftet ein vorläufiger und spekulativer Charakter an. Eine wissenschaftliche Annäherung könnte die quantentheoretische Entwicklung der Hochenergie- und Elementarteilchenphysik bieten, die unter der Bezeichnung »Große Vereinheitlichte Theorie« diskutiert wird.Auf der mikrophysikalischen Ebene erklären wir uns im Rahmen der Quantenmechanik das Vorkommen, die Stabilität, die Wechselwirkung sowie die Strukur der Materie und der Felder als Folge der herrschenden Energie (Temperatur) und der dominierenden fundamentalen Wechselwirkung:(1) Die Gravitation bestimmt das Verhalten der Materie im Großen. Sie ist zwar die schwächste der vier Wechselwirkungen, besitzt aber eine unendliche Reichweite.(2) Die elektromagnetische Wechselwirkung bestimmt den Aufbau von Atomen (aus Elektronen und Atomkernen) sowie von Molekülen, Flüssigkeiten, Festkörpern und Plasmen.(3) Die starke Wechselwirkung bestimmt die Hadronen — und damit den Zusammenhalt der Nukleonen oder Kernbausteine — sowie die Mesonen, die sich ihrerseits aus jeweils drei Quarks beziehungsweise einem Quark-Antiquark-Paar zusammensetzen.(4) Die schwache Wechselwirkung bestimmt das Verhalten der drei Leptonen-Familien (Elektron, Myon und Tauon) und ihrer jeweiligen Neutrino-Komponenten.Nach der Quantenelektrodynamik (QED) und der Quantenchromodynamik (QCD) treten diese vier fundamentalen Kräfte nur im Energiebereich unter 100 GeV (100 Milliarden Elektronvolt), mit Temperaturen unter 1015 K (eine Billiarde Kelvin) unabhängig voneinander auf. Dies ist der Temperaturbereich, den wir heute im Universum vorfinden und der das Verhalten der Materie im beobachteten Weltall kennzeichnet.Im frühen Universum lag die Temperatur erheblich über dieser Schwelle. Daher kann man für diese Phase die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung nicht als zwei getrennte Grundkräfte auffassen, sondern nur als eine »elektroschwache« Kraft, die die Wechselwirkung sowohl der Strahlungsfelder als auch der Leptonen-Komponenten beschreibt. Dies legt den Gedanken nahe, auch die verbleibenden Grundkräfte mit der elektroschwachen Kraft zu vereinen und damit die Erscheinungsformen aller Materie und Felder in einer einheitlichen Theorie mit einer einzigen Kraft zu erklären.Viel versprechend erscheint das Bemühen, die elektroschwache Wechselwirkung mit der starken Wechselwirkung im Rahmen der »großen Vereinheitlichung« zu einer Superkraft zu vereinen. Die Große Vereinheitlichte Theorie oder Grand Unified Theory (GUT) strebt an, das gesamte materielle Quark-LeptonenSystem zusammen mit den Photonenfeldern (den Yang-Mills-Feldern) in einheitlicher, geschlossener Weise darzustellen.Die vorausgesagte GUT-Temperatur, jenseits deren eine solche Superkraft auftritt, ist mit etwa 1028 K (zehn Billionen Billiarden Kelvin) derart hoch, dass sie in einem irdischen Teilchenbeschleuniger wahrscheinlich nie erreicht werden kann.Temperaturen in diesem Bereich treten dem Standardmodell zufolge aber in den allerersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall auf, und die dort möglichen Zustände sollten deshalb nur mit einer entsprechenden Großen Vereinheitlichten Theorie beschrieben werden. In diesem hohen Anspruch treffen sich die heutigen Theorien der Hochenergiephysik und die Voraussagen der Urknall-Kosmologie, wobei die Wissenschaftler hoffen, beobachtbare Evidenzen für gegenseitige Bestätigung zu finden. Gelänge dies, wären sogar die frühesten Zustände nach dem Beginn des Urknalls einer näheren Beschreibung zugänglich.Aber selbst mit einer zutreffenden GUT-Theorie ließe sich das Problem einer physikalischen Darstellung der Materie- und Feldzustände beim Urknall noch nicht lösen. Nach wie vor bleibt die Aufgabe, die Gravitation mit der Superkraft zu vereinen. Eine solche Vereinigung ist unumgänglich für Energiebereiche jenseits von etwa 1019 GeV — dies entspricht Temperaturen von mehr als 1032 K, also Bereichen, in denen die Quantennatur des Gravitationsfelds wesentlich wird. Zu derart umfassenden Theorien, die man wegen ihrer mathematischen Formulierung als Supersymmetrie (SUSY) oder auch als Supergravitation bezeichnet, sind bisher nur Ansätze erkennbar.Die weiteren Ausführungen beschränken sich deshalb auf den physikalisch sicheren Bereich, der nach der Planck-Zeit von 10-43 Sekunden einsetzt (die Zeitspanne vom Beginn des Urknalls bis zum Ende der Planck-Zeit wird als Ära der Quantenkosmologie bezeichnet). Nach Ablauf der Planck-Zeit lässt sich die Gravitation als eigenständige Kraft darlegen, und die kosmische Entwicklung kann durch nachvollziehbare Modelle quantitativ beschrieben werden.Für die Entwicklung des Universums nach dem Urknall lassen sich heute drei aufeinander aufbauende Zeitalter oder Ären unterscheiden:(1) Die Ära der Elementarteilchen, die bis 10-10 Sekunden nach dem Urknall dauerte.(2) Die nachfolgende Ära der Nukleonenbildung, der primordialen Nukleosynthese und des Wasserstoff-Helium-Plasmas, die sich bis 300 000 Jahre nach dem Urknall erstreckte.(3) Die anschließende und noch heute andauernde Materie-Ära, also der Zeitraum der Galaxien, Galaxienhaufen und Sterne.Dieser Einteilung, deren erste Epoche den unvorstellbar kurzen Zeitraum von 10-10 Sekunde darstellt und deren letzte Ära praktisch das ganze Weltalter umfasst, liegt der Gedanke der physikalischen Eigenzeit zugrunde. Danach müssen alle Phänomene anhand der ihnen gemäßen Zeitskalen beurteilt werden. Die Zeitskala für den sehr frühen Zeitraum der kosmischen Entwicklung ergibt sich zum Beispiel aus der typischen Lebens- und Reaktionsdauer der auftretenden Elementarteilchen. Nach diesem Maßstab erweist sich selbst diese für uns verschwindend kurze Spanne als ein entsprechend lange dauerndes Zeitalter.Ab der Planck-Zeit liefert das Standardmodell den grundsätzlichen Raum-Zeit-Rahmen sowie die thermodynamischen Bedingungen für die Entwicklung des Universums. Da in den frühen Phasen wegen der starken Kopplung von Strahlung und Materie ein thermisches Gleichgewicht herrscht, werden diese ausschließlich durch die Energiedichte bestimmt. Die mit der kosmischen Expansion verbundene Abnahme der lokalen Energiedichte bestimmt somit zu jeder Epoche die thermischen Bedingungen, die für die Existenz der unterschiedlichen Materie- und Feldkomponenten verantwortlich sind. Dies bedeutet, dass die physikalischen Zustände des frühen Kosmos ausschließlich durch die damalige Temperatur bestimmt waren. Die Evolution der Materie- und Feldkomponenten kann somit im Standardmodell als Folge von Gleichgewichtszuständen aufgefasst werden.Anders als im heutigen kalten, materiedominierten Universum sind die Frühphasen des Universums ausschließlich durch Strahlungsenergie bestimmt, insbesondere von Prozessen der Paarerzeugung durch Photonen wie etwa von Quark-Antiquark-, Proton-Antiproton-, Neutron-Antineutron- und Elektron-Positron-Paaren.Im Temperaturbereich zwischen 1028 K und 1015 K existieren im Wesentlichen freie Quarks sowie Leptonenfelder und Photonen, die durch die elektroschwache Wechselwirkung bestimmt sind. Weil die schwache Wechselwirkung auch auf Quarks wirkt, sind das Quark-System und die Lepton-Photon-Felder dynamisch gekoppelt. Physiker beschreiben diese Kopplung der schwachen Wechselwirkung an die Quarks in der Quantenflavourdynamik (QFD). Mit »flavour« bezeichnen sie dabei den »Geschmack« der Quarks, der als eine Art Ladung aufzufassen ist.Ohne auf Details näher einzugehen, spielt sich nach dem Standardmodell in der Frühgeschichte des Kosmos folgendes Szenario ab: Unmittelbar nach der Quantenepoche ist das ganze Universum erfüllt von Quarks, Leptonen und Photonen und den entsprechenden Antiteilchen. Der Kosmos ist strahlungsdominiert und expandiert räumlich, wobei seine Temperatur fällt. Die Paarerzeugung ist physikalisch nur möglich, wenn die beteiligten Teilchen in der Lage sind, die Ruhenergie E = 2mc2 des entsprechenden Materie-Antimaterie-Paars aufzubringen. Drücken wir diese Energieforderung durch eine äquivalente Temperatur aus, dann ist für die Erzeugung von Proton-Antiproton- oder Neutron-Antineutron-Paaren eine Minimalenergie von einer Milliarde Elektronvolt erforderlich. Das entspricht einer Minimaltemperatur von etwa 1013 Kelvin.Ein wichtiger, im Detail noch ungeklärter Vorgang ist die Bildung der Hadronen, die im Energiebereich um eine Milliarde Elektronvolt (1 GeV) stattfindet und bei der sich zum Beispiel jeweils drei Quarks zu Protonen oder Neutronen zusammenschließen und dementsprechend auch drei Antiquarks zu Antiprotonen oder Antineutronen. Unterhalb dieser Energie sind alle freien Quarks in den Hadronen gebunden. In dieser Phase ist das Vorkommen der Teilchen vornehmlich durch das Massenwirkungsgesetz bestimmt. Es erklärt die Teilchendichten der verschiedenen Arten aus dem aktuellen Gleichgewicht zwischen den jeweiligen Bildungs- und Vernichtungsprozessen.Weil Materie-Antimaterie-Paare zwar stets in hochenergetische Photonen zerstrahlen, aber nur bei ausreichend hoher Photonenenergie wieder neu entstehen, verschiebt sich beim Unterschreiten dieser Energieschwelle das Gleichgewicht rasch auf die Photonenseite. Dies hat zur Konsequenz, dass die ursprünglich etwa gleich verteilte Energie zunehmend als Strahlungsenergie vorkommt, die nicht mehr in Materie umgewandelt werden kann. Sie stellt somit ein »Wärmebad« dar, in dem sich die weitere materielle Entwicklung des Universums bis zur Phase des Aufklarens vollzieht, die 300 000 Jahre nach dem Urknall einsetzt.Bei einer völligen Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie müssten durch kosmische Abkühlung alle materiellen Komponenten vollständig zerstrahlt werden. Dies kann allerdings nur stattfinden, wenn sich Teilchen- und Antiteilchen treffen. Dazu darf die Zahl ihrer Zusammenstöße nicht vernachlässigbar klein werden. Weil durch den Verdünnungseffekt der kosmischen Expansion die Teilchendichte rasch sinkt, käme infolgedessen die gegenseitige Materie-Antimaterie-Vernichtung theoretisch bei einer Dichte zum Erliegen, die nur den Bruchteil 10-19 der Photonendichte beträgt.In einem Kosmos, in dem von Anfang an Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen vorhanden gewesen wäre, müsste die heutige Materie etwa ein Baryon pro 1019 Photonen enthalten. Dies widerspricht aber den Beobachtungen, nach denen das derzeitige Universum etwa ein Baryon auf eine Milliarde Photonen enthält, das heißt also um zehn Größenordnungen mehr. Daraus muss geschlossen werden, dass ab einem sehr frühen Zeitpunkt der kosmischen Entwicklung die Materie die Antimaterie überwogen hat und dadurch der Zerstrahlung entgangen ist. Die Frage, welcher Mechanismus für diese geringe Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie verantwortlich ist, lässt sich jedoch derzeit noch nicht überzeugend beantworten.Unterhalb einer Temperatur von etwa zehn Milliarden Kelvin ist nahezu alle Antimaterie bis auf einen unbedeutenden Bruchteil vernichtet. Was übrig bleibt, ist ein in den »Photonensee« eingebettetes Gas aus Protonen, Neutronen und Elektronen sowie ein davon abgekoppelter Hintergrund an Neutrinos, die aus elektroschwachen Zerfällen und der Elektron-Positron-Vernichtung stammen. Falls die Neutrinos masselos sind, spielen sie für die weitere Entwicklung des Universums keine Rolle.Die Ruhenergie der Neutronen ist geringfügig größer als die der Protonen. Diese Energiedifferenz wird wichtig, wenn die Temperatur auf Werte unter zehn Milliarden Kelvin fällt und dann nicht mehr durch hinreichend heiße Leptonen kompensiert werden kann, sodass die Neutronen in Protonen zu zerfallen beginnen. Energien um eine Million Elektronvolt (1 MeV) definieren aber gerade den Bereich, in dem Kernreaktionen einsetzen, bei denen vornehmlich Helium (4He) entsteht. Bei der dabei ablaufenden Reaktionsfolge ist der erste Schritt, die Bildung von Deuterium (2H), der langsamste. Die weiteren Reaktionen zum Aufbau von Helium laufen vergleichsweise schnell ab. Wegen der kosmischen Expansion brechen aber diese Fusionen nach etwa 1000 Sekunden ab, sodass sich durch die primordiale Nukleosynthese ein Wasserstoff-Helium-Deuterium-Gemisch im Masseverhältnis von etwa 100 000 : 25 000 : 1 einstellt.Von besonderem Interesse sind dabei die genauen Werte der Deuterium- und der Helium-Häufigkeit. Weil Deuterium bei der Kernfusion in den Sternen vollständig in Helium umgesetzt wird, muss alles heute in der interstellaren Materie beobachtete Deuterium aus der primordialen Nukleosynthese des Urknalls stammen. Das gilt weitgehend auch für Helium. Weil das bisher in den Sternen erzeugte »stellare« Helium nur wenige Prozent des primordialen Heliums ausmacht, entspricht dessen heutiger Masseanteil etwa dem Urknall-Wert. Die tatsächlichen Häufigkeiten dieser Elemente spielen daher eine Schlüsselrolle für die Beurteilung der thermischen Zustände in der ersten Viertelstunde nach dem Urknall.Nach dem Zeitraum der primordialen Nukleosynthese besteht die kosmische Materie im Wesentlichen aus Protonen, Heliumkernen und Elektronen. Da der Kosmos in dieser Phase strahlungsdominiert ist, wird das lokale Verhalten der Materie hauptsächlich durch den Energie- und Impulsaustausch zwischen Photonen und Atomkernen sowie Elektronen bestimmt. Diese starke Kopplung zwischen Materie und Strahlungsfeld »homogenisiert« das Materie-Photon-System und verhindert dadurch die Entstehung gravitativ induzierter lokaler Strukturen.Diese Situation ändert sich jedoch grundlegend, wenn nach etwa 300 000 Jahren die kosmische Temperatur unter die Ionisationstemperatur des Wasserstoffs von 3600 Kelvin fällt. Zu diesem Zeitpunkt verbinden sich Elektronen und Atomkerne zu Atomen. Die Folge dieses Prozesses ist, dass die Photonen nicht mehr in der Lage sind, auf die nun elektrisch neutrale Materie einzuwirken. Durch diese Abkopplung der Photonenkomponente wird das Universum ab dieser Epoche durchsichtig und die Zeit des kosmischen Aufklarens beginnt.Von nun an spielt das Photonenfeld nur noch die Rolle eines weltallfüllenden Strahlungshintergrunds, dessen Energiedichte und Temperatur gleichmäßig abnehmen. Seine Intensität entspricht mit großer Genauigkeit der eines Schwarzen Strahlers mit einer Temperatur von 2,726 Kelvin. Da die Wellenlängen dieser Strahlung vom fernen Infrarot bis zu den Radiowellen reichen, bezeichnet man sie häufig auch als Mikrowellen-Hintergrundstrahlung.Völlig anders verläuft dagegen die weitere Entwicklung der Materie. Weil diese als Folge der Abkopplung nicht mehr von Photonen dominiert wird, gerät sie nun verstärkt unter den Einfluss der Gravitation. Damit tritt der Kosmos endgültig in das Materiezeitalter ein, und die Ära der langlebigen Sterne, Galaxien und Galaxienhaufen beginnt.Strukturbildung durch GravitationIn der Zeit nach dem kosmischen Aufklaren verbleibt nur noch die permanent vorhandene Gravitation als lokal wirksame Kraft. Da sie proportional zur vorhandenen Massedichte ist, ist sie an Orten größerer Massedichte entsprechend erhöht, an Orten geringerer Massedichte erniedrigt. Gebiete höherer Gravitation bewirken, dass zusätzlich Materie aus der Umgebung hineingezogen wird. Dies verstärkt die Massedichte und folglich auch das Gravitationsfeld, sodass ein Prozess der sich selbst verstärkenden Akkumulation von Materie in Gang kommt. Aus anfänglich geringen lokalen Dichtestörungen können auf diese Weise große materielle Strukturen entstehen. Dieser Verdichtungsprozess arbeitet der allgemeinen kosmischen Expansion grundsätzlich entgegen. Da sich aber ein Gebiet hoher lokaler Gravitation weniger schnell ausdehnt als die Umgebung, wird der Expansionseffekt zunehmend unbedeutend. Ab einer Dichte, die etwa dem Doppelten der Durchschnittsdichte entspricht, ist die Gravitation dann stets groß genug, um die universelle räumliche Expansion zu überwiegen.DichteschwankungenDie theoretischen Aussagen über die kritische Größe der Gravitation und damit über die Masse der entstehenden astronomischen Objekte hängen stark von den thermodynamischen und kosmologischen Annahmen ab. Je nach Szenario ergeben sich Kollapsmassen im Bereich von etwa 100 000 bis 1 Million Sonnenmassen oder von 1 Billion bis 1 Billiarde Sonnenmassen. Diese Werte entsprechen durchaus den beobachteten Massen der Kugelsternhaufen sowie den Massen sehr großer Galaxien und Galaxienhaufen. Die Werte um 1 Million Sonnenmassen passen auch gut zu den Massen der Schwarzen Löcher, die man in den Zentren vieler Galaxien vermutet und die als mögliche »Kondensationskeime« der Galaxienentstehung wirken könnten.Nähere Aufschlüsse über den Prozess der Strukturbildung im Kosmos ergeben sich aus der kosmischen Hintergrundstrahlung. Weil diese ein Relikt des Urknalls darstellt, müssen sich ihr auch Spuren des damit verbundenen Strukturbildungsprozesses aufgeprägt haben. Zweifelsfreie Indizien dafür wären vor allem Ungleichheiten in der Strahlungsverteilung, die sich als lokale Temperaturschwankungen manifestieren müssten. Eine detaillierte Untersuchung der räumlichen Verteilung der Hintergrundstrahlung sollte daher quantitative Aussagen über die Entstehung der materiellen Strukturen im Universum ermöglichen.Die wichtigsten Erkenntnisse hierzu lieferten in jüngster Zeit die Messungen des COBE-Satelliten (COsmic Background Explorer). Als wesentliches Ergebnis dieser den ganzen Himmel abdeckenden Mission lässt sich festhalten:(1) Die Hintergrundstrahlung entspricht mit großer Genauigkeit der Strahlung eines Schwarzen Strahlers mit einer Temperatur von 2,726 Kelvin.(2) Die maximalen Intensitätsfluktuationen, ausgedrückt in entsprechenden relativen räumlichen Temperaturschwankungen, betragen nur ein Tausendstel Prozent. Da diese Temperaturschwankungen in direktem Zusammenhang mit den entsprechenden Dichteschwankungen stehen, lassen sich daraus weit reichende Rückschlüsse auf deren Größe zur Zeit des Aufklarens ziehen.Grundsätzliche theoretische Erwägungen verbieten in einem strahlungsdominierten Kosmos — also in der Zeit vor dem Aufklaren — ein Anwachsen der Dichteschwankungen von baryonischer Materie (schwere Elementarteilchen und ihre Antiteilchen). Aus diesem Grund sind für die weitere Entwicklung der Materie gerade die Fluktuationen während des Aufklarens entscheidend. In dieser Phase sind die Störungen sehr klein, sodass ein linearer Zusammenhang zwischen den relativen Temperaturschwankungen und den relativen Dichteschwankungen angenommen werden darf.Allerdings sind die theoretisch abgeschätzten Dichteschwankungen um mehrere Größenordnungen, nämlich um den Faktor eine Million, kleiner als der heute tatsächlich vorliegende Dichtekontrast. Dass die von der Theorie vorhergesagten Dichteschwankungen um sechs Zehnerpotenzen zu klein sind, um die heute im Kosmos als Galaxien und Galaxienhaufen beobachtete lokale Materiekonzentration zu erklären, zeigt eine signifikante Unzulänglichkeit des bisher angenommenen Standardszenarios für das Entstehen kosmischer Strukturen.Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma scheint in der Folgerung zu liegen, dass die gravitative Strukturbildung nicht erst mit der Neutralisierung der Materie und dem dadurch erfolgten Abkoppeln des Strahlungsfelds einsetzt, sondern dass das Wachstum lokaler Strukturen schon während der vorhergehenden strahlungsdominierten Phasen stattfindet. Diese Erklärung aber kann aus verschiedenen Gründen für »normale« Materie nicht zutreffen. Die Kosmologen mussten deshalb nach einem weiteren Ausweg suchen, und dieser führte sie auf die Spur der dunklen Materie.Obwohl sie gegenwärtig noch eine rein hypothetische Größe darstellt, erhofft man sich von der dunklen Materie entscheidende Hinweise zu einer Reihe offener Fragen. Verschiedenen Überlegungen und Abschätzungen zufolge macht die in Galaxien und Galaxienhaufen beobachtete »normale« Materie nur ein Zehntel der dort insgesamt gravitativ wirksamen Masse aus. Den überwiegenden Materieanteil von 90 Prozent hat man bisher nicht entdecken können und bezeichnet ihn deshalb als dunkle Materie.Die wahre Natur der hypothetischen dunklen Materie, die nur gravitativ wirkt, sonst aber keinerlei Wechselwirkungen zeigt, ist bis heute weitgehend unklar. Durch Messungen des Röntgensatelliten ROSAT konnte man zwar einen gewissen Materieanteil, den man bisher für »dunkel« hielt, als sehr heißes Gas identifizieren. Doch dieser Anteil ist viel zu gering, um das Phänomen der dunklen Materie quantitativ zu klären. Nach heutiger Meinung besteht der überwiegende Teil der dunklen Materie wahrscheinlich aus nichtbaryonischer Materie. Darunter versteht man zum Beispiel Leptonen wie etwa massive Neutrinos, aber auch massebehaftete exotische Teilchen, wie sie die GUT- und SUSY-Theorien für das frühe Universum postulieren. Solche Teilchen konnten bis heute experimentell nicht nachgewiesen werden, sodass alle Überlegungen zur tatsächlichen Art dieser Spezies einen äußerst spekulativen Charakter haben.In der Fachliteratur werden heute zwei Grenzfälle der dunklen Materie diskutiert: die kalte und die heiße. Zur kalten dunklen Materie gehören alle möglichen Arten von höchstens vernachlässigbar wechselwirkenden Elementarteilchen, die zur Zeit des Aufklarens bereits so kalt sind, dass — im Vergleich zu normalen Materieteilchen — ihre kinetische Energie sehr klein ist. Beispiele für nichtbaryonische, kalte dunkle Materie wären möglicherweise die Photinos oder Axionen.Im Gegensatz dazu steht die heiße dunkle Materie. Deren Teilchen, die heiße Relikte aus der GUT-Phase der kosmischen Entwicklung sein könnten, besitzen zur Zeit des Aufklarens Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit. Im Vergleich zur normalen Materie haben sie eine entsprechend hohe Temperatur.Obwohl keine näheren Einzelheiten über die wahre Natur der kalten und der heißen dunklen Materie bekannt sind, lassen sich doch weit reichende Schlüsse über deren Einfluss auf die kosmische Strukturbildung ziehen. Aussagen machen kann man vor allem über die minimalen Werte der kritischen Massen, die für einen Gravitationskollaps erreicht werden müssen. Demnach scheint das Szenario »kalte dunkle Materie« eher kleine Jeans-Massen von etwa 100 000 Sonnenmassen zu begünstigen. Für das Szenario »heiße dunkle Materie« dagegen sind sehr große Massen im Bereich von 100 Billionen Sonnenmassen wahrscheinlich.Diese beiden Grenzfälle implizieren zwei gegenläufige Evolutionsszenarien. Im Top-down-Modell für die heiße dunkle Materie entstehen zuerst Verdichtungen in der Größe von Galaxienhaufen, dann durch Fragmentation Protogalaxien und schließlich Sternhaufen. Nach dem Bottom-up-Modell, das für kalte dunkle Materie gilt, bilden sich dagegen zuerst Galaxien, die sich später infolge ihrer gravitativen Anziehung zu Galaxienhaufen zusammenschließen. Mögliche Vorformen der Galaxien könnten dem Modell zufolge massereiche Schwarze Löcher sein.Obwohl heute einige Argumente, insbesondere die Ergebnisse stellardynamischer Rechnungen, für das letztere Szenario sprechen, ist unser Wissen über die dunkle Materie und über die wirklichen physikalischen Abläufe der kosmischen Strukturbildung noch viel zu unvollständig, um weiter gehende Schlüsse zu erlauben.Das inflationäre UniversumDas Standardmodell der Kosmologie entwirft ein stimmiges Bild der kosmischen Entwicklung von der Zeit unmittelbar nach dem Urknall bis heute. Zwar ist es bei bestimmten Details noch unbefriedigend oder lückenhaft, trotzdem erlaubt es eine quantitative Beschreibung des Kosmos.Die Evolution der Materie und deren räumlich-zeitliche Strukturierung verstehen wir als eine Abfolge mehr oder weniger stabiler Zwischenzustände, die von den fundamentalen Wechselwirkungen sowie der kosmischen Expansion und Abkühlung bestimmt werden. Auch den hierarchischen Aufbau und das dynamische Verhalten der verschiedenen Strukturen im Universum können wir heute gut nachvollziehen. Doch ungeachtet dieser Fortschritte ergibt sich bei näherer Betrachtung auch eine Anzahl ernster Schwierigkeiten. Diese Probleme resultieren zum einen aus der Art der zugrunde gelegten theoretischen Beschreibungen, zum andern aus bestimmten unabweisbaren Konsequenzen, die sich aus den bisherigen Beobachtungen ergeben. Um diesen Sachverhalt näher zu beleuchten, werden im Folgenden drei wichtige Probleme und die Versuche zu ihrer Lösung angesprochen.Das MonopolproblemUm die frühesten Situationen unmittelbar nach dem Urknall zu beschreiben, haben Astronomen und Physiker das kosmologische Standardmodell mit den Quantentheorien der Hochenergiephysik verbunden. Dabei ergab sich das grundsätzliche Problem, dass als Folge der kosmischen Abkühlung Symmetriebrechungen und Phasenübergänge auftreten. Dies äußert sich zum Beispiel im Aufspalten der ursprünglichen Superkraft in die vier fundamentalen Wechselwirkungen.Beim Übergang von der anfangs symmetrischen zur gebrochen-symmetrischen Phase des Universums müsste nach den maßgeblichen Theorien eine Vielzahl von Defekten entstehen, die beobachtbar sein sollten und möglicherweise die Entwicklung des Universums beeinflussen könnten. Von Interesse im kosmischen Maßstab sind vor allem punktartige Defekte, die magnetische Monopole bilden (im Gegensatz zu Dipolen und allgemein Multipolen), sowie linienartige Defekte, die als kosmische Strings diskutiert werden. Darüber hinaus könnten auch flächige oder sogar dreidimensionale Störungen auftreten. In gewisser Weise kann man diese Defekte mit analogen Störungen auf der Erde vergleichen, die zum Beispiel beim Gefrieren von Wasser entstehen. Wenn dieser Vorgang nicht völlig gleichmäßig geschieht, bilden sich im Eis Strukturen, die später zu Rissen führen.Die kosmischen Strings sowie die zwei- und dreidimensionalen Defekte lassen sich durchaus in spezielle kosmologische Modelle integrieren und spielen dort als eine Art »Fluktuationskeime« sogar eine Schlüsselrolle bei der Strukturbildung. Im Gegensatz dazu wirft das theoretisch diskutierte Entstehen von magnetischen Monopolen — also von isolierten magnetischen Nord- oder Südpolen — erhebliche Probleme auf. Nach den Aussagen des kosmologischen Standardmodells müsste die lokale Konzentration der magnetischen Monopole auch heute noch hoch genug sein, um sie mit den verfügbaren Instrumenten aufspüren zu können. Doch das ist nicht der Fall, und diesen beunruhigenden Sachverhalt bezeichnen Kosmologen deshalb als Monopolproblem.Das Horizont- oder IsotropieproblemWeil die Lichtgeschwindigkeit endlich ist, kann ein beliebiges Objekt im Kosmos nur die Signale solcher Objekte empfangen, deren Lichtlaufzeit höchstens gleich dem Weltalter ist. Dadurch wird automatisch eine maximale Entfernung rH für beobachtbare Objekte festgelegt. Diese Grenze heißt Teilchenhorizont. Für uns Menschen stellt sie eine Art schwarzen Vorhang dar, der den uns bekannten Teil des Universums umspannt. Hinter diesen Vorhang werden wir nie blicken können, weil wir kein Licht oder sonst ein Signal empfangen können, das von jenseits dieser Grenze stammt. Die Metagalaxis, der derzeitige Forschungsgegenstand der beobachtenden Kosmologie, kann somit per definitionem nur ein Teilvolumen des Universums umfassen, das vom aktuellen Teilchenhorizont umschlossen ist.Man kann generell zeigen, dass für jeden Ort und zu jedem Zeitpunkt t ein derartiger Teilchenhorizont rH(t) existiert. Daraus folgt für zwei willkürlich ausgewählte Objekte, dass sie bis zum Zeitpunkt t nur dann Signale oder Informationen ausgetauscht haben können, wenn sich zu dieser Zeit ihre beiden Teilchenhorizonte überlappen.Im Lauf der bisherigen kosmischen Entwicklung ist ein solcher Informationsaustausch zwischen entfernten Raumgebieten unabdingbar, um die weit reichenden räumlichen Korrelationen zu erklären. Eine solche Korrelation zeigt sich zum Beispiel in der überaus genauen Homogenität und Isotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung, die stets gleich ist, egal aus welcher Richtung sie kommt.Da sich nach dem Standardmodell die Horizonte hinreichend weit voneinander entfernter Gebiete zu keiner Zeit überlappt haben, kann es zwischen ihnen zu keinerlei Signalübertragung gekommen sein. Mit andern Worten: Sehr weit voneinander entfernte Gebiete können ihre zufallsbedingten, lokal unterschiedlichen Bedingungen nicht durch Informationsaustausch »synchronisieren«. Dass trotz dieses Sachverhalts sich unser Universum mit einer hohen globalen Symmetrie entwickelt hat, kann im Rahmen des Standardmodells somit nicht erklärt werden.Das FlachheitsproblemDie Geometrie des Kosmos ist im Standardmodell durch das Verhältnis zwischen der Dichte ρ und der kritischen Dichte ρc beziehungsweise den entsprechenden Energiedichten u = ρc2 und uc = ρcc2 festgelegt. Das Verhältnis Ω (t) = u(t)/uc(t) bezeichnet man als Dichteparameter. Aus den Beobachtungen der sichtbaren Materie ergibt sich, dass dessen heutiger Wert Ω (t0) etwa 0,1 beträgt. Dies würde bedeuten, dass unser Kosmos offen ist und eine hyperbolische Geometrie besitzt. Ein Problem ergibt sich jedoch, wenn man Ω (t) seit der Planck-Zeit verfolgt, die im Standardmodell durch folgenden Zusammenhang gegeben ist:Dabei ist T (tP) die Temperatur zur Planck-Zeit tP und T (t) die Temperatur zu einem beliebigen Zeitpunkt t. Weil die Größenordnung des Faktors [1 — Ω0 ]/Ω0 auf der rechten Seite der Gleichung in der Nähe von 1 liegt, muss demnach für t = tP die Größe 1 — _Ω (tP) ungefähr gleich 10-60 gewesen sein. Dies bedeutet: Bis auf die unvorstellbar kleine Abweichung von 10-60 muss Ω (tP) den Wert 1 gehabt haben.Diese Herleitung mag zwar auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, doch zeigt sie, dass bereits minimale Abweichungen nach oben zu einem viel zu frühen Kollaps führen würden und dass Abweichungen nach unten eine viel zu rasche Expansion des Kosmos zur Folge hätten. Damit die globale kosmische Entwicklung nach dem Standardmodell mit dem tatsächlich beobachteten Wert kompatibel ist, muss die aus der Formel resultierende Forderung an die Flachheit des Kosmos zur Planck-Zeit äußerst präzise erfüllt sein. Im Rahmen der Standardkosmologie stellt dies aber eine nicht erklärbar hohe Anforderung an die Feinabstimmung dar, und die- sen Erklärungsbedarf bezeichnet man allgemein als das Flachheitsproblem.Die InflationEinen Lösungsvorschlag für die drei kosmologischen Rätsel liefert das Anfang der 1980er-Jahre von Alan H. Guth vorgeschlagene und seither von vielen Wissenschaftlern weiterentwickelte »Inflationsmodell«. Es beschreibt, wie sich der Kosmos in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall schlagartig um den unvorstellbaren Faktor 1029 aufgebläht hat — 1029 ist eine 1 mit 29 Nullen.Der Grundgedanke des Inflationsmodells ist, dass im sehr frühen Kosmos unmittelbar nach der Planck-Zeit ein Zustand sehr großer Energie und extrem hoher Symmetrie herrschte, den die Große Vereinheitlichte Theorie beschreibt. Durch die fortschreitende Expansion und Abkühlung erniedrigte sich die Energie und unterschritt schließlich die Grenze, unterhalb deren die Superkraft in die starke Kraft und die elektroschwache Kraft zerfiel. Dieses »Ausfrieren« der Kräfte war mit einem Phasenübergang von einem extrem hochsymmetrischen Ausgangszustand zu einem entsprechend niedersymmetrischen Endzustand verbunden. Ein analoger Vorgang — allerdings bei einer wesentlich niedrigeren Temperatur — ist etwa das Kondensieren einer Flüssigkeit aus der Gasphase.Nach heutigen Vorstellungen lief dieser Übergang von der symmetrischen zur unsymmetrischen Phase verzögert ab, ähnlich wie bei irdischen Unterkühlungsphänomenen, bei denen die Kristallisation erst bei einer Temperatur einsetzt, die deutlich unter der Kondensationstemperatur liegt. Sobald die Kristallisation beginnt, geht das System in eine neue Phase über, in der Kristallisationswärme an die Umgebung abgegeben wird.Beim »unterkühlten« kosmischen Phasenübergang führte die Freisetzung latenter Wärme zu einer raschen Wiederaufheizung. Dadurch aber entstand erneut ein strahlungsdominierter Kosmos sehr hoher Energie. Diese gewaltige Energiemenge bildete das Reservoir, aus dem der überwältigende Teil der im Kosmos vorhandenen Strahlung und Materie (einschließlich der Antimaterie und der dunklen Materie) stammt.Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, den zeitlichen Ablauf dieses Phasenübergangs physikalisch befriedigend zu beschreiben. Die Wissenschaftler sind sich lediglich einig, dass die Dynamik des Phasenübergangs vom Potenzial eines Higgs-Felds getrieben wird. Solche hypothetischen Felder postuliert man in den Theorien der Elementarteilchenphysik, um die Symmetriebrechungen zu erklären und um den involvierten Teilchen Masse zu verleihen. Ohne auf die Details weiter einzugehen, ist in unserem Zusammenhang wichtig, dass sich während der Inflationsphase das Expansionsverhalten des Kosmos dramatisch änderte.Während sich vor und unmittelbar nach der Inflation der Kosmos gemäß der Formel R(r) ∼ t1/2 ausdehnte, folgt für die Inflationsphase ein exponentielles Verhalten von R(r) ∼ et/τ. Dabei steht τ für die charakteristische Expansionszeit mit einer typischen Größenordnung von 10-34 Sekunden.Obwohl die genauen Werte für die charakteristische Expansionszeit τ im Einzelnen sehr vom betrachteten Modell abhängen, stimmen die bisherigen Ergebnisse darin überein, dass der Kosmos in der Zeitspanne zwischen 10-34 s und 10-32 s um einen riesigen Faktor expandiert, bei dem sich der Skalenfaktor alle 10-34 s verdoppelt und so in sehr kurzer Zeit um mehrere Größenordnungen anwächst. Am Ende des Inflationsprozesses liegt wieder ein heißer, strahlungsdominierter Kosmos vor. Somit müssen wir für die Zeitentwicklung des frühen Kosmos drei Phasen unterscheiden:(1) Die strahlungsdominierte Phase, die von der Planck-Zeit bis 10-34 s nach dem Urknall dauerte.(2) Die Inflationsphase, die sich von 10-34 s bis 10-32 s erstreckte.(3) Die strahlungsdominierte Phase, die 10-32 s nach dem Urknall einsetzte und 300 000 Jahre dauerte.Alle vorgeschlagenen Theorien zur physikalischen Beschreibung der Inflationsphase stützen sich auf mehr oder weniger plausible Annahmen, aber nicht auf experimentell gesicherte Fakten. Trotz dieser grundsätzlichen Unsicherheit verbinden die Inflationsmodelle nicht nur Methoden und Erkenntnisse der Hochenergie-Quantenphysik mit der Urknall-Kosmologie, sondern liefern auch eine elegante Lösung der drei angesprochenen Schwierigkeiten des Standardmodells.Das Monopolproblem und das Flachheitsproblem umgehen sie einfach, indem sie alle Konzentrationen extrem verdünnen und indem sie die Raumkrümmung durch eine große Dehnung aller räumlichen Abstände stark verringern.In ähnlicher Weise löst sich auch das Horizontproblem. Angenommen das gegenwärtig beobachtbare Universum habe eine typische Größe von 1026 Metern oder 100 Trilliarden Kilometern. Durch Zurückrechnen ergibt sich: Dieses Gebiet hatte am Ende der Inflationsphase einen Durchmesser von etwa 10 Zentimeter. Bei Beginn der Inflationsphase lag er bei 10-24 Zentimeter. Vergleichen wir diesen Wert mit der Größe des damaligen Teilchenhorizonts rH, so erhalten wir für diesen ebenfalls einen Wert von 10-24 Zentimeter. Das bedeutet, dass unser heute beobachtetes Universum sich aus dem damals homogenisierten Bereich entwickelt hat, und dies wiederum erklärt die extreme Isotropie und Homogenität der globalen kosmischen Hintergrundstrahlung.Ein für die mathematische Modellierung jedes kosmologischen Modells wichtiger Aspekt ist das Festlegen seiner Anfangsbedingungen. Dabei muss eine physikalisch sinnvolle Ausgangssituation so definiert werden, dass sie in der Lage ist, einen Kosmos hervorzubringen, wie wir ihn heute beobachten. Die Bedingungen dafür müssten am Rand oder jenseits der Ära der Quantenkosmologie formuliert beziehungsweise vorgefunden werden. Bis heute ist nicht bekannt, ob es derartige Grenzbedingungen gibt, ob sie überhaupt notwendig sind und ob sie kosmologische Modelle eindeutig festlegen können, die unserem Universum adäquat sind. Hier ist das Inflationsmodell sehr hilfreich. Es verbirgt den möglichen Anfang der Welt hinter dem »Vorhang« der Inflation und schafft mit der Inflation einen Neuanfang, von dem aus die zukünftige Entwicklung des Universums sinnvoll gedacht und physikalisch formuliert werden kann.Prof. Dr. Erwin Sedlmayr, Dipl.-Phys. Karin Sedlmayr und Dr. Achim GoeresWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Allgemeine Relativitätstheoriekosmischer Materiekreislauf und Evolution der MaterieGrundlegende Informationen finden Sie unter:Astronomie: Hierarchische Ordnung des KosmosCambridge-Enzyklopädie der Astronomie, herausgegeben von Simon Mitton. Aus dem Englischen. Sonderausgabe München 1989.Der große JRO-Atlas der Astronomie, herausgegeben von Jean Audouze u. a. Aus dem Französischen. München 21990.Goenner, Hubert: Einführung in die Kosmologie. Heidelberg u. a. 1994.Hawking, Stephen W.: Eine kurze Geschichte der Zeit. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe Reinbek 1998.Henkel, Hans Rolf: Astronomie. Thun u. a. 41991.Herrmann, Joachim: dtv-Atlas zur Astronomie. Tafeln und Texte. Mit Sternatlas. München 111993.Lexikon der Astronomie, bearbeitet von Rolf Sauermost. 2 Bände. Lizenzausgabe Heidelberg u. a. 1995.Meyers Handbuch Weltall, Beiträge von Joachim Krautter u. a. Mannheim u. a. 71994.Schwinger, Julian: Einsteins Erbe. Die Einheit von Raum und Zeit. Aus dem Amerikanischen. Heidelberg 21988.Silk, Joseph: Der Urknall. Die Geburt des Universums. Aus dem Englischen. Basel u. a. 1990.Smolin, Lee: Warum gibt es die Welt? Die Evolution des Kosmos. Aus dem Amerikanischen. München 1999.Voigt, Hans-Heinrich: Abriß der Astronomie. Mannheim u. a. 51991.Weigert, Alfred / Wendker, Heinrich J.: Astronomie und Astrophysik. Ein Grundkurs. Weinheim u. a. 31996.Wheeler, John Archibald: Gravitation und Raumzeit. Die vierdimensionale Ereigniswelt der Relativitätstheorie. Aus dem Amerikanischen. Neudruck Heidelberg u. a. 1992.Zimmermann, Helmut / Weigert, Alfred: ABC-Lexikon Astronomie. Heidelberg u. a. 81995.
Universal-Lexikon. 2012.